Wenn wir über Resilienz reden, sprechen wir oft von Widerstandsfähigkeit und denken an vielleicht an einen starken, stabilen Baum wie die Eiche. Tatsächlich ist es aber eher der flexible, anpassungsfähige Bambus, der besser für Resilienz steht. Natürlich ist die Eiche erst mal stark und stabil, wenn der Sturm aber zu stark wird, kann sie entwurzeln. Wohingegen sich der Bambus unter grösster Belastung und fremder Einwirkung möglicherweise sogar gänzlich zum Boden neigt und danach doch wieder aufrichten wird und seine Ursprungsform einnimmt. Resilienz DefinitionWenn wir die Definition von Resilienz anschauen, gibt es einerseits den Aspekt der Anpassungsfähigkeit:Resilienz (von lateinisch resilire: zurückspringen, abprallen, nicht anhaften), auch Anpassungsfähigkeit, ist der Prozess, in dem Personen auf Probleme und Veränderungen mit Anpassung ihres Verhaltens reagieren(Definition Resilienz: https://de.wikipedia.org/wiki/Resilienz_(Psychologie)) Und es gibt zusätzlich den Aspekt der Wiederherstellung:Resilienz: Aufrechterhaltung oder schnelle Wiederherstellung der psychischen Gesundheit während und nach Widrigkeiten.(Quelle: Raffael Kalisch – Der resiliente Mensch, PIPER Verlag) Warum überhaupt über Resilienz reden?Nun, eine länderübergreifende Studie aus 2012 beziffert die volkswirtschaftlichen Folgekosten der Stresserkrankungen auf Jährlich 200 Milliarden Euro- in Europa.Mehr Zahlen dazu:
- Im Oktober 2016 hat die AOK in Deutschland eine grosse Studie mit 18K Teilnehmern veröffentlicht, nach der sich die Mehrheit der Studenten in Deutschland massiv gestresst fühlen, Ursachen sind Zeit- und Leistungsdruck und die Angst vor Überforderung. 53 % der Studenten gaben ein hohes Stresslevel an, bei Arbeitnehmenden waren es 50%.
- Grosse weltweite Studien nehmen an, dass jedes Jahr ca. ½ Milliarde Menschen an einer Stresserkrankung auf der Welt leiden.
- In 2013 (das letzte Jahr mit guten verwertbaren Zahlen) war Depression die zweitwichtigste Ursache für Gesundheitsbeeinträchtigungen.
(Quelle: Raffael Kalisch – Der resiliente Mensch, PIPER Verlag)Beängstigende Zahlen, und hinter jeder einzelnen Zahl verbergen sich Schicksale. Wie also umgehen mit Stress?Als einfachste Möglichkeit erscheint natürlich, Stress zu vermeiden. Sich den Stressfaktoren nicht mehr auszusetzen. Letztlich haben wir aber wenig Einfluss auf die Existenz von potenziellen Stressoren. Daher also eine gute Idee, aber nicht sehr realistisch.Oder wir könnten einfach noch mehr forschen, wie Stress krank macht und wie man Menschen mit Stresserkrankungen heilen kann. Das ist er eher kurative, reaktive Ansatz.Und dann können wir noch mehr forschen, was genau es ist, was manche Menschen in derselben Lage gesund erhält. Denn selbst wenn Menschen gleichen Stressoren ausgesetzt sind, gehen sie sehr unterschiedlich damit um. Warum ist das so und was lässt sich tun, um resilienter zu werden? Kauai-Studie zu ResilienzBereits in den 50ern ging die Psychologin Emmy Werner mit der Kauai-Stuidie diesen Fragen auf den Grund. Sie begleitete auf der hawaiianischen Insel Kauai rund 700 Jungen und Mädchen über 40 Jahre lang. Dabei stellte sich heraus, dass ein Drittel der Kinder es schafften, trotz eines erhöhten Entwicklungsrisikos zu erfolgreichen und gesunden Erwachsenen heranzuwachsen. Diese Kinder hatten Resilienz.Emmy Werner stellte dabei diese drei wichtigsten Resilienzfaktoren für Kinder heraus:
- eine feste Bezugsperson mit enger emotionaler Bindung.
- Soziale Unterstützung
- Intelligenz und Temperament
(Quelle: https://www.resilienz-akademie.com/resilienzfaktoren-die-faktoren-individueller-resilienz/)
Resilienz ist also beeinflussbarResilienz ist also nicht entweder da oder nicht, sie ist vielmehr beinflussbar. Neben dem Umfeld ist entscheidend, wie wir mit den Unwägbarkeiten und Unbeeinflussbarkeiten umgehen. Zunächst ist entscheidend ob bzw. wie stark wir unser Augenmerk auf etwas richten. Wir schauen dazu die Dynamik der Aufmerksamkeit an: Erstens, etwas, ein Ereignis oder Gedanke erscheint auf meiner Bühne der Aufmerksamkeit. Zweitens, ich entscheide: Achte ich darauf oder nicht? Drittens, falls ja, rückt es in meinen Fokus, es ist also in meinem Rampenlicht. Falls nein, ist es nicht in meinem Rampenlicht.Ich entscheide also, ob ich etwas in meinen Fokus stelle oder nicht. Oft ist uns nicht bewusst, dass wir die Wahl haben, zu entscheiden, woran wir denken und auch was wir denken.Es ist sicherlich nicht einfach, den Fokus zu verändern und auf Reize anders zu reagieren als bisher, aber möglich. Auch die Change Kurve ist ein gutes Hilfsmittel. Es gibt hier drei Phasen: 1. Abschied/Verlust, 2. Erforschung und 3. Neuer Beginn. In der ersten Phase habe ich möglicherweise Gefühle wie Verweigerung, Schock, Angst, Verwirrung, ich überbrücke. In der zweiten Phase befinde ich mich vielleicht in einer Art Chaos mit hohem Stress aber auch möglicher erster Kreativität, es beginnt Umorientierung. Die dritte Phase ist durch Akzeptanz, Ungeduld, Aufregung gekennzeichnet, Vertrauen beginnt sich zu formieren.Jeder der Phasen kann unterschiedlich lang sein, und gerade die mittlere, die Chaos-Phase kann immer wieder durchlebt werden, zB wenn erste Versuche nicht erfolgreich sind.Es kann sehr helfen, sich dessen bewusst zu sein, in welcher der Phasen ich mich jeweils befinde und zu verstehen, dass die Gefühle, die ich möglicherweise habe, völlig normal sind. Neben der Arbeit mit der Change Kurve gibt es weitere Methoden, u.a. die 7 Säulen der Resilienz. Die ursprüngliche Idee der sieben Säulen der Resilienz stammt von der Diplompsychologin Ursula Nuber. Dr. Franziska Wiebel überarbeitete das Modell der sieben Säulen und ergänzte eine wertvolle Unterteilung. Sie teilte die sieben Säulen in vier Grundhaltungen und drei Praktiken ein, was eine Übertragung in die Praxis zur Stärkung der eigenen Resilienz vereinfacht. (Quelle: https://www.resilienz-akademie.com/sieben-saeulen-der-resilienz/)Zu den vier Grundhaltungen gehören Akzeptanz, Bindungen, Lösungsorientierung und ein gesunder Optimismus.Die drei Praktiken sind Selbstwahrnehmung, Selbstreflexion und Selbstwirksamkeit, also das Bewusstsein dessen, wie es mir geht, wie ich handele und dass ich selbst wirksam werden kann. Ein weiteres hilfreiches Modell ist der Circle of Concern bzw. der Circle of Influence. Der „Circle of Concern“ umfasst all jene Dinge, die uns gedanklich beschäftigen – positiv wie negativ, alles, was unsere Aufmerksamkeit beansprucht.Der „Circle of Influence“ als kleinerer Kreis umfasst all jene Dinge, auf die wir überhaupt Einfluss nehmen und die wir gestalten oder zumindest mitgestalten können.Es ist sehr erhellend, sich immer wieder bewusst zu machen, was im Bereich des eigenen Einflusses liegt und was nicht und womit ich aktiv werden kann.(Modell von Stephen Covey) Selbststärkung, Selbstwertaufbau ist ebenfalls ein wertvolles Element. Der Glaube an mich selber, lässt mich weniger anfällig sein. Ein einfaches Mittel ist die Wertschätzungsliste, zu füllen mit allen Dingen, die man an sich selbst mag. Oder regelmässig (zB am Abend) notieren, worauf man am jeweiligen Tag stolz war, was man an sich mochte etc. So richten wir bewusst den Fokus weg vom Mangel hin zu positiven Gedanken. Die STOPP Methode sei hier ebenfalls zu erwähnen. Immer wenn ich merke, dass ich dem Grübeln erliege, mir selbst STOPP oder ein anderes Wort/einen Satz sagen, mit dem ich gegensteuern kann. Auch das nicht immer einfach, aber einen geduldigen Versuch mit sich selbst ist es wert. MBSR - (mind based stress reduction) ist ein standardisiertes 8-Wochen Programm, das eine Vielzahl von Übungen und Anleitungen bietet und durch die Regelmässigkeit Routinen für die eigene Achtsamkeit etablieren kann. Und natürlich können Achtsamkeitsübungen, wie Meditationen, Atemübungen, Wochenrückblicke, Tagebuch führen ebenfalls sehr gut helfen, sich immer wieder dessen bewusst zu sein, dass Resilienz erlernbar ist, dass ich entscheide, wie ich auf Dinge schaue. Ich entscheide, worauf ich meine Aufmerksamkeit lege, letztlich ob mein Glas halb leer oder halb voll ist. Resilienz ist erlernbar und verstärkbar mit Achtsamkeits-Methoden, dem bewussten Umgang mit dem Fokus der Aufmerksamkeit und einem guten sozialen Netz.